Ich streife durch meine Gegend und freue mich darauf, meinen Lesern heute endlich das dritte Mopped vorzustellen. Ich habe es ja schon rund ein Jahr, aber wie das eben so ist mit einem neuen Mopped: Der kleine Adolf muss sich immer erst ganz langsam herantasten an das Gefährt. Er muss lernen, das Ding mit dem Kleinhirn zu steuern und nicht mit dem Großhirn. Oder wie man auch sagt: Aus dem Bauch heraus und nicht mit dem Kopf. So habe ich das mit der Guzzi gemacht und mit der BWM, und so mache ich es auch mit dem neuen Mopped. Aus Gründen, und zwar guten.
Die Tour beginnt in einer Tiefgarage in Neustadt. Ich muss das neue Mopped rückwärts die Rampe hochfahren, auf der es geparkt wird. Also: aufsitzen, Rückwärtsgang einlegen, und dann den noch kalten Motor richtig aufdrehen, sonst schafft sie das nicht. „Rückwärtsgang“ - Sie haben richtig gelesen! Mein neues Motorrad verfügt über einen Rückwärtsgang. Dann pöttere ich gemütlich am mit blühenden Wildkräutern bepflanzten Seitenstreifen vorbei nach Mußbach, wo mich eine liebe Kollegin auf einen Kaffee eingeladen hat. Wir plaudern eine Weile bis die Kinder mit Nahrung versorgt werden müssen. Zuviel Multitasking will ich ihr dann aber doch nicht zumuten: Als ihr Mann dazukommt um sie bei der Fütterung der Raubtiere zu unterstützen verdrücke ich mich schließlich.
Und obwohl ich im letzten Jahr schon so manche Strecke mit dem kleinen Schwarzen zurückgelegt habe, fühlt es sich noch immer etwas fremd an. Die Motorisierung ist mit knapp über 40 PS weit weniger souverän als bei der Guzzi oder der GS. Aber das ist es nicht, was sich fremd anfühlt. Schließlich habe ich vor langer, langer Zeit in meiner Jugend mit Mofa und Mokick ja mal sehr viel kleiner angefangen. Es ist mit rund 350 kg das schwerste Mopped, das ich jemals gefahren bin. Aber auch das macht es nicht einzigartig. Auf der Guzzi bin ich schon mit einem ausgewachsenen Menschen als Sozius unterwegs gewesen, das war dann zusammen auch nicht ganz so leichtfüßig und alles Andere als gazellenhaft. Auch das ist es also nicht. Aber die völlig asymmetrische Gewichtsverteilung und das dritte Rad auf halber Strecke zwischen dem Vorder- und dem Hinterrad, die machen etwas aus. Man könnte es so ausdrücken: Das Russeneisen fährt sich wie eine Mischung aus Seifenkiste und Weinbergschlepper.
Das Russeneisen |
Da ist zunächst einmal das Gefühl beim Lenken. Auf einspurigen Moppeds geht das mit einer leichten Gewichtsverlagerung. Man fährt sie sozusagen mit dem Hintern. Der Rest besteht aus einem intuitiv zu bewältigenden Tanz mit Schwerkraft und Fliehkraft. Auf einem Gespann muss der Fahrer jedoch beim Steuern deutlich und bewusst den Lenker einschlagen. Für einen Autofahrer klingt das vielleicht banal, aber als Moppedfahrer muss man sich tatsächlich erst einmal daran gewöhnen.
Hinter Bad Dürkheim zieht es mich wieder in Richtung Westen. Alles bekannte Strecken - mit dem neuen Mopped fahre ich zunächst nur solche Routen, bei denen ich jedes Schlagloch und jede Kurve mit Vornamen kenne: In Dürkheimer Ortsteil Grethen erfreue ich mich am Anblick des Herzogweihers, der die Luft spürbar herunterkühlt. Das Pfalzmuseum für Naturkunde würdige ich keines Blickes. Hier hatte ich vor vielen Jahren mal eine Fortbildung, die ich eher so mittel fand. Zwei Tage verlorener Lebenszeit und seitdem meine letzte fachliche Fortbildung. Ich bin jetzt so alt, dass ich keine Zeit mehr verschwende und das Thema Fortbildung in meinen Fächern lieber mit zwei guten Zeitschriften erledige, die ich seit Jahren regelmäßig beziehe. Die Hardenburg grüßt mich von einer Bergkuppe. Die Kurven sind zahlreich, aber nie besonders eng. Das habe ich mit Absicht so gewählt.
Die Wirkung der Fliehkraft in einer Rechtskurve |
Gewichtsverlagerung in der Kurve ist beim Gespannfahren wichtig und alles Andere als intuitiv. Besonders in Rechtskurven. Ein Gespann liegt normalerweise auf der Straße wie ein Brett. In einer Linkskurve legt man sich als Fahrer trotzdem nach links, damit das Hinterrad nicht abhebt und das Gefährt sich überschlägt. Das macht man gerne auch übertrieben stark, denn es hängen ja rechts noch die 100 kg Beiboot als störrisches Gegengewicht. In einer Rechtskurve wird es ganz verrückt: Legt man sich hier als Fahrer nicht weit nach rechts, hebt der Seitenwagen ab. Und zwar umso wahrscheinlicher, je enger die Kurve ist. Verantwortlich sind einerseits die Fliehkräfte, die am Fahrer ziehen, und andererseits die Hebelgesetze: Je größer der Fahrer, desto länger der Hebel, an dem die Fliehkraft zerrt und desto größer ihre Wirkung. Lehnt der Fahrer sich also in einer Rechtskurve nach rechts, geht es weniger darum, Gewicht auf den Seitenwagen zu verlagern (obwohl das tatsächlich hilft), sondern vielmehr darum, den Hebel zu verkürzen, an dem die Fliehkraft sonst mitleidlos zerrt und den Seitenwagen abheben lässt.
Berechtigte Frage |
Abb.2: Verändert aus: Franitza, M., Götz, B. et al. (2017): Das 1 x 1 für Gespannfahrer - Grundlagenwissen über Krafträder mit Beiwagen, Königswinter 2017