Sonntag, 3. Februar 2019

27. Der abgeworfene Ballast (1)

Das Schreiben ist freundlich und klingt nach
echtem Interesse. Meinen Brief haben sie
 wohl nicht gelesen. Schade, denn ich hatte
mir sehr viel Mühe gegeben.
Ich streife mal wieder durch die unendlichen Weiten meiner Festplatte und finde das Kündigungsschreiben, das ich zur Beendigung des langjährigen Abonnements meiner Lieblings-Computerzeitschrift verfasst habe. Ich gebe das hier weitgehend unkommentiert wieder, und zwar inclusive des Antwortschreibens durch den Verlag:











Heise Medien GmbH & Co KG
Leserservice
Postfach 2469
49014 Osnabrück



Neustadt, der 29. 11. 2018

Betrifft: Kündigung des c’t-Abonnements (Kundennummer 10431922)

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe c’t-Redakteure,

seit über 20 Jahren bin ich nun Abonnent Ihrer Zeitschrift. Und es war eine tolle Zeit!
Ich habe immer viel gelernt, oft gestaunt und nicht selten auch gelacht über Ihre Artikel. Gerne habe ich die April-Ausgabe nach dem Aprilscherz durchsucht (selten gefunden) sehr amüsiert hat mich vor 20 Jahren der Briefträger, der laut schimpfend in den dritten Stock zu meiner Wohnung geklettert ist, weil eine telefonbuchdicke c’t-Ausgabe nicht in den Briefkasten gepasst hat. Ich habe durch die c’t viel gelernt, manches davon hat mich sogar beruflich voran gebracht. Ohne das Wissen, das mir Ihre Zeitschrift vermittelt hat, wäre ich vermutlich nicht Studiendirektor geworden. Dafür bin ich sehr dankbar. Nicht zuletzt deshalb habe ich mich an meiner Schule auch schon vor Jahren dafür stark gemacht, dass für unsere technische Assistentin ein c’t-Abo angeschafft wird. Jetzt lernt sie mit Ihrer Hilfe und hält an meiner Stelle Computer am Laufen.

Nach und nach haben sich meine Interessen jedoch gewandelt. Auch das ist ein Verdienst Ihrer Zeitschrift. Denn letzten Endes war es die c’t, die mich die Scheu vor Betriebssystemen jenseits der Windows-Welt verlieren ließ. So schaffte ich mir vor ziemlich genau zehn Jahren anläßlich des vorzeitigen Hinschieds des heiß geliebten ThinkPads meinen ersten Mac an. Mein Umgang mit Computern hat sich seitdem stark gewandelt.

Vor 2008 war meine Computernutzung noch geprägt durch massives Gebastel an Hard- und Software: Da wurden Steckkarten, Arbeitsspeicher, Prozessoren und Motherboards getauscht. Windows musste unbedingt modifiziert werden. Also wurde knietief in der Registry gewühlt, Shareware-Programme veränderten das Aussehen des Betriebssystems oder fügten schmerzlich vermisste Funktionen hinzu.

Nach 2008 wurde das schlagartig anders. Ursprünglicher Plan war, den Windows-Desktoprechner parallel zum MacBook zu benutzen. Aber irgendwann habe ich den PC überhaupt nicht mehr benutzt, er war nur noch das Datenlager für informationstechnische Altlasten, fraß als Server im Dachbodenzimmer Strom, während ich mit dem schicken MacBook in der großen Wohnküche saß und dort arbeitete.

Als dann eines Tages mein erster iMac auf dem Schreibtisch auftauchte, überspielte ich die Daten vom Windows-System auf ein NAS und fuhr die Kiste zum letzten Mal runter. Sie steht immer noch auf dem Dachboden, aber im Laufe des kommenden Jahres werde ich da oben einmal aufräumen und das ganze Bastelzeug entsorgen. Denn gebastelt habe ich seitdem überhaupt nicht mehr. Einmal habe ich ein paar RAM-Riegel in den iMac geschoben, aber das kann man ja wohl kaum als Basteln bezeichnen. Kein Vergleich zu früher, wo ich riesige Towergehäuse mein eigen nannte, in denen ich Weltrekorde im Verbauen von Festplatten aufstellte (sieben in einem Rechner), oder mit Schläuchen von Dunstabzugshauben die Warmluft vom Prozessor nach Außen geführt habe, weil sie ihren Weg sonst nicht schnell genug gefunden hätte.

So wurden für mich nach und nach viele Artikel in der c’t uninteressant: Was interessiert es mich, wenn Windows-Nutzer sich mit Shareware-Software ihr altes Startmenü wieder hindengeln. Notfall-Windows mit Virenschutz-Software? Ein gar meisterliches Werk! Damit habe ich bei Freunden schon mehrfach Betriebssystem und Daten gerettet. Aber heute? Heute schicke ich meine Freunde zum PC-Schrauber an der Ecke. Der kann das richtig gut und der verdient seine Brötchen damit. Das nehme ich dem doch nicht weg! Windows-Installation automatisieren? Wer’s braucht… UEFI-BIOS? Muss ich als Mac-Nutzer gar nicht wissen!

Ich verkneife es mir an dieser Stelle, weitere Beispiele aufzulisten. Aber das Ergebnis können Sie sich bestimmt vorstellen: Hier stapeln sich dutzende c’t-Ausgaben, die ich immer häufiger ungelesen ins Altpapier bringe. Und das hat die c’t nicht verdient.

Deshalb kündige ich hiermit schweren Herzens und mit feuchten Augen mein Abonnement. Ein paar Ausgaben werden Sie mir noch schicken, denn ich habe ja erst kürzlich die Jahresrechnung überwiesen. Aber dann heißt es Abschied nehmen. Sicher werde ich immer wieder am Bahnhofskiosk noch eine Mac & i erwerben, aber es ist nicht mehr dasselbe.

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg, Mut, Experimentierfreude und alles, alles Gute.

Es war eine tolle Zeit.
Aber das sagte ich ja bereits.


Mit freundlichen Grüßen



(Adolf Kluth)