Samstag, 21. Mai 2016

15. Die wütenden Nashörner

„…meinst Du, so als Biologielehrer (…) könntest Du vielleicht für’s Programmheft einen Essay über Nashörner schreiben? Irgendwas lustiges mit wissenschaftlichem Anstrich? (…) kann auch pseudowissenschaftlich, ironisch, lustig sein.“
Na das ist mir jetzt aber reichlich diffus. Mit „wissenschaftlichem Anstrich“, „ironisch“ UND „lustig“? Das klingt mir sehr nach einer Reklame für in Schokoladeneier verpackte Spielsachen zum Selberbauen: „Was spannendes, was zum Spielen und Schokolade!" Zunächst muss ich mich erst einmal schlau machen, was genau überhaupt ein Essay ist. Ich hatte in der Schule nur Deutsch Grundkurs bei Herrn Karpstein und der hatte es mehr mit Lyrik. Die Wikipedia klärt mich auf: „Der Essay (seltener das Essay; Plural: Essays), auch: Essai, ist eine geistreiche Abhandlung, in der wissenschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Phänomene betrachtet werden. Im Mittelpunkt steht die persönliche Auseinandersetzung des Autors mit seinem jeweiligen Thema. Die Kriterien wissenschaftlicher Methodik können dabei vernachlässigt werden; der Schreiber hat also relativ große Freiheiten.“ Das spricht mich an. Ich glaube, wir haben einen Deal. Gekauft! Mach’ ich. Ob’s wirklich geistreich wird, mag der Leser entscheiden.

Und so streife ich also durch meine digitale Umgebung auf der Suche nach Themen für ein Essay über Nashörner. Mit wissenschaftlichem Anstrich. UND ironisch. UND lustig. Und ja: Ich streife, denn mein Blog heißt „Streifzüge“, und ich kann ihn ja schließlich nicht für jede Folge umbenennen.

Beginnen wir mit der Biologie:
Es existieren fünf rezente Arten in dieser Familie: Breit- und Spitzmaulnashorn in Afrika sowie Panzer- Java- und Sumatranashorn in Asien. Die beiden afrikanischen Arten sowie das Sumatra-Nashorn besitzen zwei Hörner, die verbleibenden zwei asiatischen Arten nur eines. Darauf werden wir später im Stück noch zurückkommen. Sie sollten sich das gut einprägen, denn darüber schreiben wir in der nächsten Woche einen Test. Genau diese Hörner sind übrigens ein Problem für die Tiere. Betrachtet man die früheren und die aktuellen Verbreitungsgebiete der Arten, so fällt auf, dass der Lebensraum dieser wunderbaren Tiere geradezu pulverisiert wurden.

Im Jemen schnitzt man aus dem Horn repräsentative Dolchgriffe, in Ostasien spielt es eine wichtige Rolle in der traditionellen Medizin. Auch als Aphrodisiakum soll es Verwendung finden, wenn auch ohne jeden traditionellen oder gar wissenschaftlichen Hintergrund. Für 30.000 US$ pro Kilogramm wird es gehandelt, obwohl die berühmten blauen Pillen nachweislich wirkungsvoller und, verglichen mit den Hörnern der Rhinocerotidae, deutlich günstiger sind. Nashörner werden nicht nur wegen ihrer Hörner gewildert, sie stehen auch als sogenanntes Bushmeat auf so mancher Speisekarte. Bitte beachten Sie deshalb auch die Kochrezepte am Ende dieses Essays. Die Tiere standen noch vor nicht allzu langer Zeit am Rande der Ausrottung. Aber die Bestände haben sich etwas erholt. Nicht zuletzt, weil in der letzten Zeit immer wieder auch Nashörner im Park der Villa Böhm gesichtet wurden. Um welche der fünf Arten es sich dabei handelt, ist allerdings umstritten.
Als reine Vegetarier haben Nashörner einen bis zu 20 Meter langen (!) Magen-Darmtrakt. Ihr Herz kann bis zu fünf Kilogramm wiegen und die Bullen besitzen kein Skrotum. Ihre Hoden liegen im Leibesinneren. Nashörner leben oft einzelgängerisch, die Arten der Savannen rotten sich jedoch zu matriarchalisch organisierten Herden zusammen. Ihre gefährliche Angriffslust ist ebenso legendär wie frei erfunden. Sie meiden die Nähe zum Menschen. Kommt es jedoch in seltenen Fällen zu einem Angriff, ist besonders mit den Bullen nicht zu spaßen. Die massigen Tiere erreichen Geschwindigkeiten von über 45 km/h und nutzen als Waffen nicht nur ihre Hörner sondern auch die kräftigen Zähne.
Wollen Sie das wirklich wissen? Ich glaub’s nicht!


Kommen wir zu einer exemplarischen Kulturgeschichte der Nashörner:
Die ältesten bekannten Darstellungen der beindruckenden Tiere finden sich in Höhlenmalereien der Jungsteinzeit. Damals waren es natürlich noch die inzwischen ausgestorbenen Wollnashörner.

Sehr bekannt ist auch der Holzschnitt Albrecht Dürers aus dem Jahr 1515. Bemerkenswert ist, dass Albrecht Dürer niemals ein Nashorn zu Gesicht bekommen hat. Er stellte das Tier ausschließlich nach den Schilderungen eines Reisenden dar. Man beachte das Horn im Genick.

Auch Salvador Dali hat sich den Tieren künstlerisch genähert, von ihm stammt eine spektakuläre Skulptur, die den Dürer-Holzschnitt zitiert. Auch hier: Ein Horn im Genick.

Sie lesen ja immer noch. Möchten Sie sich nicht lieber mit Ihrem Nachbarn unterhalten?

Kochrezepte mit Nashörnern:
Wie oben bereits erwähnt sind Nashörner durchaus essbar. In der einschlägigen Literatur finden sich allerdings nur wenige Rezepte. Hier einige Beispiele:

Nashorn in Burgunder
Etwas für die festlichen Tage, vorausgesetzt, das Nashorn fühlt sich in Burgunder wohl.
Nashorn waschen und trocknen, in passendem Schmortopf mit 2000 Litern Burgunder, 6 bis 8 Zwiebeln, 2 kleinen Mohrrüben und einigen Nelken 8 bis 14 Tage kochen, herausnehmen, abtropfen lassen und mit Petersilie servieren.

Nashorn im Schlafrock
Das afrikanische Nashorn fängt man hauptsächlich für ein bekömmliches ostfriesisches Nationalgericht. Das Nashorn wird 14 Tage gekocht und mit einer Prise Gewürznelken ganz klein gewiegt, in einen ausgerollten Nudelteig gewickelt und in feuerfester Form bei massiger Hitze 8 bis 9 Stunden gebacken. Hagebuttenmarmelade darüber geben und heiß servieren.

Sie könnten sich auch, anstatt zu lesen, in unserem Freiluftfoyer mit einer Brezel versorgen. Die sind wirklich gut. Oder zum Beispiel einen Sekt trinken. Hier treffen Sie ganz sicher auch nette Leute.


Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Nashörner
http://www.tagesspiegel.de/wissen/ost-afrika-die-rhinos-kehren-zurueck/1966504.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Rhinocerus
Rezepte verändert nach: Loriots großer Ratgeber
Das Bild des Dali-Nashorns stammt von Manuel González Olaechea y Franco

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