Montag, 1. September 2008

1. Der Dom zu Speyer


Ich streife durch meine Gegend und lande in Speyer, jener alten Stadt, die zwar von den Römern als Stadt gegründet wurde, die jedoch als Siedlung viel älter ist. Seit über 5000 Jahren leben hier Menschen. Eine bewegte Geschichte hat dieses Speyer erlebt: wurde mehrfach zerstört, der prächtige Dom sollte gar abgerissen werden und die jüdische Bevölkerung wurde gleich mehrfach ausgelöscht.

Eine sumpfige Gegend war das einst. Die Malaria hat hier gewütet. Die wurde dann aber restlos ausgerottet: Erst legte der Ingenieur Johann Gottfried Tulla dem Rhein ein enges Korsett an und trocknete seine Nebenarme und Auen aus, dann kam die BASF und gab den Anopholes-Mücken den Rest.

Heute sind die französischen Revolutionstruppen verschwunden. Die schwedischen Söldnerheere sucht man ebenso vergebens wie die Malariamücken und die römischen Kaufleute. Die neue Plage Speyers sind die Touristen. Sie fahren langsam durch die engen Straßen und bremsen dann unvermittelt und ohne Vorwarnung. Sie gehen in der Fußgängerzone zu dritt nebeneinander her und werden immer langsamer, nur um in dem Augenblick, da man zum Übeholen ansetzt, plötzlich auszuscheren. Sie lungern am Domnapf herum (seine Geschichte sollte an dieser Stelle auch einmal erzählt werden) und wollen einfach nicht aus dem Bild gehen. Das nervt extrem!


Warum geht der Typ jetzt nicht auf die Seite? Ich will doch nur schnell ein Bild von der Fassade des Doms machen. Wo sind die schwedischen Landsknechte, wenn man sie braucht? Da wird mir klar, dass der Mann deshalb nicht weggeht, weil er ebenfalls nur schnell ein Bild vom Dom machen möchte. Also nehme ich ihn einfach mit auf, betrachte ihn als Teil des Motivs. Schließlich gehören kamerabehängte Touristen inzwischen so selbstverständlich zum Stadtbild, dass ein Domfoto ohne sie genauso unvollständig wäre, wie eines ohne Baugerüste.

Auf dem Rückweg bin ich deshalb versöhnlich. Ich umgehe die Touristenpulks weiträumig, lächle den Menschen in den Cafés zu, die dort ihr Geld ausgeben und so in Speyer für Arbeitsplätze sorgen. Schließlich finde ich noch diese futuristische Telefonzelle, die farbiges Licht auf das Straßenpflaster zaubert. Ich mache ein schönes Bild vom Dom, mit der Telefonzelle und mit den geilen Lichteffekten. Auf diesem Bild ist nur ein Mensch zu erkennen, und der ist kein Tourist sondern eine waschechte Eingeborene, die ihre Samstagseinkäufe erledigt. Ich bin wieder zufrieden.


Eigentlich bin ich ja auch Tourist in Speyer.