Schicker Zug der SBB. Wohl in Japan gekauft. |
Man sollte ohnehin wieder öfter mit dem Zug reisen. Die Deutsche Bahn ist, von der Pünktlichkeit abgesehen, in der Regel viel besser als ihr Ruf. Die Züge sind oft klimatisiert und das Personal freundlich und wirklich bemüht, den Fahrgast zufrieden zu stellen. An Sauberkeit mangelt es in der Regel auch nicht. Ich muss jedoch zugeben, dass ich mir in der letzten Zeit immer häufiger den Luxus der ersten Klasse gönne. Mit etwas vorausschauender Planung ist das gar nicht mal so teuer. Insofern ist der Vergleich mit meinen früheren Erlebnissen etwas unfair.
Der Regionalexpress bringt mich bis Karlsruhe, dort steige ich in einen ICE und fahre bis Stuttgart HBF. Im ICE erklärt mir eine entzückende Zugbegleiterin noch den Weg vom ICE-Gleis zur Abfahrtsstelle der S-Bahn, mit der ich bis zum Messegelände am Flughafen fahren möchte. Im Grunde genommen ist das nicht notwendig, denn innerhalb von Bahnhöfen sind die Wegstrecken immer ausgezeichnet beschildert. Außerdem könnte ich das ganze Apfelzeug an meinem Körper auch als Fußgängernavi benutzen. Aber sie meint, dass man sicherer den Weg findet, wenn man schon einmal eine ungefähre Richtung im Kopf hat. Da hat sie natürlich auch wieder Recht. Also lasse ich sie weiterplappern. Ich bin geradezu hypnotisiert von ihrem bezaubernden Akzent, dessen Herkunft ich irgendwo im westlicher Erzgebirge verorte. Es ist wirklich nur der Hauch eines Zungenschlags, eine ganz leicht eingefärbte Sprachmelodie. Aber seitdem ich fünf Jahre am Erzgebirgsrand gelebt und gearbeitet habe, empfinde ich diesen Akzent als äusserst angenehm, fast schon als erotisch. Die arme Zugbegleiterin denkt vermutlich, dass der debil grinsende ältere Herr vor ihr versucht, sie anzubaggern. Aber danach steht mir wirklich nicht der Sinn. Die junge Frau könnte mit ihren geschätzt Anfang 30 Lenzen locker meine Tochter sein und so junge Dinger fasse ich nicht an. Also reiße ich mich los und verlasse den klimatisierten Zug. Die Hitze im Bahnhof trifft mich wie ein Vorschlaghammer. Draußen müssen es jetzt schon über 30 Grad sein - so zeigt es mir zumindest das virtuelle Thermometer an der Apfeluhr. Und das im Juni. Um 10 Uhr morgens. Also nichts wie zur S-Bahn.
In der S-Bahn-Station |
Wir müssen über das sich verändernde Klima reden, Leute. Damit habe ich mich im letzten Jahr noch zurückgehalten, obwohl es von den Temperaturen her ein Rekordjahr war. Aber es hilft ja nichts! Da müssen wir jetzt durch. Müssen wir uns ängstigen? Es hat natürlich immer wieder heiße Tage gegeben, auch ungewöhnlich warme Sommer oder besonders milde Winter. Das sind alles noch keine Gründe, Alarm zu schlagen. Der Unterschied ergibt sich aus einer mathematischen Betrachtung heraus, genauer gesagt aus einer statistischen. Ein heißer Tag macht noch keine Hitzewelle. Folgen aber mehrere Dutzend ungewöhnlich heiße Tage aufeinander, spricht man ganz selbstverständlich von einer Hitzewelle. Das würde man selbst dann noch tun, wenn die Folge sehr heißer Tage von einem oder zwei kühlen Tagen unterbrochen würde.
Ein heißes Jahr macht noch kein erwärmtes Klima. Aber eine Folge von einem Dutzend oder oder gar mehreren Dutzend heißen Jahren wäre ganz ohne Zweifel eine messbare Klimaerwärmung. Das gilt ganz besonders dann, wenn hier zusätzlich ein stetiger Trend nach oben erkennbar ist.
Def.: Klima ist der langjährige Mittelwert (i. d. R. über 30 Jahre gemittelt) der Klimaelemente Temperatur, Niederschlag, Wind, Luftfeuchte usw.
Das bedeutet, dass ein seriöser Klimaforscher niemals von einer Klimaveränderung sprechen würde, weil das Wetter mal für ein paar Tage oder Wochen verrückt spielt. Und genau das machte lange Zeit die Argumente derer, die einen Klimawandel befürchten, so angreifbar. Es gab einfach noch nicht genug vom langjährigen Mittelwert abweichende Daten. Das ist inzwischen anders. Schon in den späten 90er Jahren warnte das MPI für Meteorologie in Hamburg, dass alle statistischen Daten darauf hinweisen, dass es tatsächlich zu einer Veränderung des Klimas kommt. Das sehen alle seriösen Klimaforscher (damit meine ich jetzt die, die nicht von irgendeinem Interessensverband der Industrie bezahlt werden) schon seit einigen Jahren so und setzen aktuell sogar noch eins drauf: Diese Veränderung, da ist man sich inzwischen ebenfalls einig, ist vom Menschen verursacht und sie beschleunigt sich.
Der Taxifahrer tippt während der Fahrt fast ohne Pause auf seinem Telefon herum. Im Normalfall würde ich ihn jetzt bitten, rechts ranzufahren. Dann würde ich aussteigen und mir ohne Kommentar ein neues Taxi suchen. Aber bei diesen Außentemperaturen ist diese Vorgehensweise keine Option. Wer möchte schon als Trockenmumie enden? Am Straßenrand in Stuttgart. Trotz seines verkehrswidrigen Verhaltens bringt der Fahrer mich relativ sicher und nur mäßig zu schnell zum Messegelände am Flughafen. Am Eingang wird mein Rucksack durchsucht, wobei die Dame vom Sicherheitsdienst mit meiner Kamera sichtlich überfordert ist. Statt der geradezu zierlichen und leicht zu transportierenden D810 habe ich nämlich die vergleichsweise klobige D3 eingesteckt und das dicke Telezoom angeflanscht, mit dem ich immer bei der Schauspielgruppe Bilder mache. Die D3 ist zwar laut und hat eine viel kleinere Auflösung als die D810, aber sie ist brutal schnell und extrem zuverlässig. Noch nie hat sie die Auslösung verweigert, wenn es darauf ankam. In dieser Beziehung ist die D810 eine kleine Zicke die ich schon mehrfach während einer Fotositzung neu starten musste, indem ich den Akku herausgenommen habe. Die Dame schaut in meinen Rucksack und hat keine Vorstellung davon, wie sie den Anblick eines dicken, schwarzen Rohres deuten soll, das da aus dem Rucksack heraus auf sie gerichtet ist. Die bei mir wie immer mit schwarzem Klebeband abgedeckten Herstellerlogos und das hohe Gewicht des rätselhaften Objekts machen ihr die Interpretation des Anblicks auch nicht gerade leichter. Schließlich fragt sie, ich sage nur „Kamera“ und jetzt scheint ihr alles klar zu sein. Vielleicht auch nicht, schließlich hat sie heute schon dutzende der bizarren Waffenattrappen der Cosplayer inspiziert, wer weiß also, was sie wirklich denkt. Ist mir jetzt aber auch egal. Hauptsache, ich darf rein.
Ich fasse noch einmal zusammen:
Die Erde erwärmt sich immer schneller.
Diese Erwärmung wird vom Menschen verursacht.
Das sind die Fakten. Ich gehe davon aus, dass die Leser dieses Blogs den Erkenntnissen zustimmen, bei denen sich die überwiegende Mehrheit der zuständigen Wissenschaftler einig sind. Hier geht es nicht mehr um Meinungen, es geht hier um wissenschaftlich untermauerte Fakten. Darüber diskutiere ich nicht mehr und erkläre es auch nicht, denn wir reden hier über Schulbuchwissen. Wer das leugnet, sei gewarnt: Sie können JETZT aufhören diesen Blog zu lesen. Oder Sie müssen es ertragen, dass Sie sich möglicherweise im weiteren Verlauf dieser Episode meines Blogs brüskiert oder gar übel beschimpft fühlen. Vielleicht lernen Sie ja auch noch etwas dazu, aber ich wage das zu bezweifeln. Wenn Sie die oben genannten Fakten leugnen ist jede weitere Diskussion an dieser Stelle Zeitverschwendung. Kaufen Sie sich ein gutes, wissenschaftliches Lehrbuch der Klimatologie oder wenigstens ein Erdkundebuch für die gymnasiale Oberstufe und melden Sie sich wieder, wenn Sie es gelesen und verstanden haben. Oder kaufen Sie sich eine Rolle Aluminiumfolie und falten Sie sich einen lustigen Hut daraus. Das ist allein Ihre Entscheidung!
Noch ein kurzer Plausch mit dem Mann an der Kasse, 29 Euronen wechseln den Besitzer und dann bin ich endlich drin. Genauer gesagt bin ich nur fast drin, denn jetzt steht Boba Fett, der Kopfgeldjäger aus dem Star-Wars-Universum, vor mir und unverrückbar im Weg herum. Wir schweigen uns an, ausweichen ist keine Option. Er zückt seine futuristische Strahlenpistole, ich die D3. Er gibt auf und ich gewinne das Duell. Leider vergesse ich in der Aufregung völlig, ein Bild von ihm zu machen. Ein unverzeihlicher Fehler, aber da muss ich jetzt wohl durch. Schon jetzt wird mir klar, dass ich im nächsten Jahr auf ein weiteres Duell mit Boba Fett wiederkommen muss.
In den Messehallen ist es dank einer gigantischen Klimaanlage angenehm kühl.
Klimaanlage liefert das Stichwort. Die Klimamaschine Erde ist viel zu kompliziert, als dass wir sie in einfachen, linearen Zusammenhängen denken dürften. Deshalb kursieren ein paar gravierende Missverständnisse, die von Klimaleugnern (gemeint sind: Leugner der globalen, durch den Menschen verursachten Erwärmung) gerne für plakative Meme genutzt werden. Diese Meme kursieren dann in den einschlägigen Filterblasen und verfestigen dort die irrige Meinung, dass eine einzige knackig kalte Woche im Februar oder ein besonders schneereicher Monat in den Dolomiten im Widerspruch zur globalen Erwärmung stehen würden. Sogar der Mann mit dem Eichhörnchen auf dem Kopf entblödet sich nicht, dies so in seinen Twitter-Meldungen zu thematisieren.
Mit diesen Missverständnissen und Vereinfachungen möchte ich an dieser Stelle aufräumen, zumindest exemplarisch. „Globale Erwärmung“ bedeutet nämlich nicht zwingend, dass es auf dem gesamten Planeten gleichmäßig wärmer wird. Im Gegenteil. Die Erwärmung des Planeten kann regional sehr unterschiedlich erfolgen. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass sich einzelne Regionen im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung abkühlen könnten. Klingt komisch - ist aber so. Das zu verstehen ist gar nicht so schwierig. Benötigt werden ein paar grundlegende geographische und physikalische Kenntnisse aus der Mittelstufe. Und los gehts:
Dass unterschiedliche Regionen der Erde unterschiedlich auf globale Erwärmung reagieren hat, unter Anderem, mit ihrer Albedo zu tun, also mit der Fähigkeit von Oberflächen, elektromagnetische Strahlung (Eigentlich sind das Wellen, aber wir wollen nicht pingelig sein.) in den Weltraum zurück zu reflektieren. Diese Fähigkeit zu reflektieren ändert sich bei einigen Oberflächen kaum, ob sie nun kalt oder warm sind. Es gibt aber Oberflächen, bei denen sich die Albedo ziemlich radikal ändert, wenn sie erwärmt werden. Wasseroberflächen zum Beispiel. Die flüssige Oberfläche eines Meeres absorbiert deutlich über 90% der einfallenden Strahlung und reflektiert nicht einmal 10%. Die Energie der absorbierten Strahlung wird dabei auf die Wassermoleküle übertragen, die der reflektierten, vereinfacht gesagt, in den Weltraum zurückgeworfen. Die schneebedeckte Oberfläche von Eis (Ob Gletscher oder Meereis spielt dabei keine Rolle) reflektiert hingegen über 90% der einfallenden Strahlung, nur weniger als 10% werden absorbiert. Da Eisflächen auf diesem Planeten aber (noch) recht ungleichmäßig verteilt sind (in der Nähe der Pole sehr viel, in der Nähe des Äquators eher wenige) reagiert die Albedo der Erdoberfläche breitengradabhängig auf die globale Erwärmung: Am Äquator ändert sie sich wenig, an den Polen jedoch nimmt sie bei durch die schmelzenden Eisflächen dramatisch ab. Das führt dann zu einer weiteren Erwärmung dieser Flächen, denn plötzlich reflektieren sie nicht mehr 90% der einfallenden Energie, sondern absorbieren 90%. Deshalb schaukelt die die globale Erwärmung in der Nähe der Pole quasi selbst hoch und die Polarregionen erwärmen sich im Rahmen der Klimaänderung viel dramatischer als die Äquatorregionen. Von solchen Rückkopplungseffekten im Zusammenhang mit dem Thema werden wir noch öfter sprechen, jedoch nicht in dieser Folge des Blogs.
Man darf schon verrückt sein. Aber bitte mit Stil! |
"AAARARRRGWWWH." |
Ein weiterer Grund für die regional unterschiedlichen Auswirkungen der globalen Erwärmung ist in den Meeresströmungen zu suchen, die gewaltige Wärmemengen um den Globus transportieren. Manche Regionen werden dadurch aufgeheizt wie mit einer Fußbodenheizung, andere werden abgekühlt wie mit einer Klimaanlage. Meeresströmungen können ihren Lauf ändern und damit auch die regionale Wärmeverteilung. So etwas geschieht zum Beispiel, wenn durch Vorgänge der Plattentektonik große Landmassen zusammenstoßen und so Meeresströmungen den Weg versperren. Ein solches Ereignis ist wohl in den nächsten Jahrzehnten nicht zu erwarten. Und wenn, dann wurde es mit Sicherheit nicht durch die globale Erwärmung hervorgerufen. Aber neben den Meeresströmungen an der Oberfläche gibt es auch noch die globalen Tiefenströmungen, die mit den oberflächennahen Strömungen in lebhaftem Austausch stehen. Bei diesem Austausch spielt die salzgehalt- und temperaturabhängige Dichte des Oberflächenwassers eine entscheidende Rolle. Und Temperatur und Salzgehalt von Meerwasser ändern sich durch einströmendes Wasser vom Festland. Schmelzwasser von abtauenden Gletschern zum Beispiel. So etwas kann dann eine Meeresströmung wie den Golfstrom abreißen lassen. Das ist in der Vergangenheit schon mehrfach geschehen, und die Auswirkungen waren fatal und werden es wieder sein. Ohne den Golfstrom, so schätzen Wissenschaftler, wird die Temperatur in Europa im Schnitt um 5 bis 10 Grad sinken. Selbst wenn wir davon die ca. 1,5°C abziehen, die sich die Pfalz seit dem Anfang der Industriealisierung bereits erwärmt hat, so wären es dann in meiner Wahlheimat knackige 8,5°C kühler, als im langjährigen Mittel. Und dann gute Nacht, Riesling! Vielleicht reicht es dann ja gerade noch für den Getreideanbau. Dann gäbe es wenigstens noch Bier.
Mein persönlicher Comic-Gott |
Ralf König liest aus seinem neuesten Buch „Stehaufmännchen“. Er macht das, indem er die Bilder aus seinen Comics auf eine große Leinwand projiziert und dann die Sprechblasen seiner Protagonisten mit verschiedenen Stimmen vorliest. Gerne auch die der weiblichen Figuren. Da er auch die Geräusche „vorliest“ ist das sehr unterhaltsam für das Publikum und vermutlich sehr anstrengend für den Autor.
Squaredolf |
Stuttgart 21 |
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